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24.2.21

Mehrwert bieten! - Nur so könnten die (genossenschaftlichen) Prüfungsverbände ihr "Prüfungsmonopol" retten.

 


Frage (Auszug)

Wir sind eine recht neue Genossenschaft und suchen Kontakt nach Frankreich, Spanien und Italien. Unsere Freunde in Frankreich möchten nun eine Genossenschaft in Deutschland gründen. Dabei wollen sie von uns beraten werden. In unseren Gesprächen haben wir erfahren, dass man in Frankreich z.B. nicht eine „Pflichtmitgliedschaft“ in einem Prüfverband eingehen muss. Wir haben nicht nur darüber gestaunt, sondern auch mitbekommen, dass in Frankreich viel mehr Lebendigkeit bereits bei der Gründung einer Genossenschaft besteht. Weil das bei uns in Deutschland alles immer komplizierter ist, wie anderswo, wird es zunächst keine Gründung der Franzosen in Deutschland geben. Nun, wir waren mit unserem Prüfungsverband nicht direkt unzufrieden, haben jedoch gemerkt, dass solche Prüfer sich kaum in den „Genossenschafts-Alltag“ hineinversetzen können. Sie „kleben“ förmlich an ihren Zahlen, aber echte Impulse haben wir bisher keine bekommen. Ein Mitglied unserer Genossenschaft ist Anwalt. Er hat uns erklärt, warum es in Deutschland überhaupt die (gesetzliche) Pflicht gibt, einem Prüfungsverband angehören zu müssen. Wir haben auch dazu unseren „Prüfer“ gefragt. Der hatte eine  – für ihn – einfach Auskunft: „Das ist halt so, weil es im Gesetz steht“. Diese Antwort hat uns irgendwie nachdenklich gemacht und wir haben intensiver recherchiert. Das Ergebnis war „desillusionierend“, das hat viel mit der Zeit des Faschismus zu tun. Wir würden jedem Genossenschaftler empfehlen, dazu mal die Bücher von Herrn Wilhelm Kaltenborn zu lesen (gern geben wir euch die Titel dazu. ..)

Was ist euere Meinung dazu und kennt Ihr Menschen, die positive Erfahrungen gemacht haben, die ein „Prüfungs-Monopol“ der Verbände rechtfertigen?

Wir werden in Kürze an einer europäischen Konferenz von Genossenschaften teilnehmen. Könnt Ihr uns bitte deshalb recht kurzfristig antworten?.

Uns ist auch unklar, warum es in Deutschland einen „EU-Sonderweg für Genossenschaften in Deutschland“ gibt und wann man das Genossenschaftsrecht endlich in Europa vereinheitlichen wird.

Gibt es eurer Sicht eine inhaltliche Rechtfertigung – und worin liegt die – dass man in Deutschland „zwangsweise“ einem Prüfungsverband angehören muss.

Gern hätten wir Literaturhinweise zu unseren Fragen, weil einige unserer Mitglieder überlegen, zu solchen genossenschaftlichen Themen „Bachelor- oder Master-Arbeiten zu schreiben. …

Wie ist die Stellung zu solchen Themen der „Genossenschafts-Institute“ in Deutschland. Wir haben gehört, dass diese Institute irgendwie von Außen „subventioniert“ werden, was nicht unbedingt auf „unbeeinflusste Forschung“ hindeutet. ….

FragestellerIn: Startup Genossenschaft im Bereich „Digitalisierung und Kommunikation“.

 

 Antwort (Auszug):

 

Allein euere Fragen ließen sich bereits zu einer „Bachelor-Arbeit“ ausbauen. …

Wir wollen versuchen, recht kurz zu bleiben, ohne das Wesentliche auszuklammern.

Wenn Ihr die Bücher von Herrn Kaltenborn bereits gelesen habt, brauchen wir darauf nicht weiter eingehen. Wir danken Herrn Kaltenborn für seine verdienstvolle Arbeit. Wir könnten es uns recht einfach machen, weil wir keine „historischen Altlasten“ kommunizieren müssen, unsere Verbandsorganisation ist erst in der „Neu-Zeit“ entstanden. ….

Lasst uns mit einer Frage beginnen:

Was könnte der Grund dafür sein, weshalb auch heute noch ein Relikt besteht, das in der Zeit des Nationalsozialismus seine besondere Bedeutung hatte:

·       Die immer noch ungewöhnlich intensive Staatskontrolle im Genossenschaftsbereich!

Aus Sicht der Staatsfunktion der NS-Zeit machte Kontrolle Sinn. …

Aber was ist der Sinn in der heutigen Zeit, wenn „Staatskontrolle“ nicht mehr im Vordergrund stünde?

Halten wir fest:

·       Vor 1934 gab es keine Staatskontrolle.

·       Erst die „Nazis“ führten sie ein.

·       Aber auch nach 1949 war man immer noch der Auffassung, eine „Staatskontrolle“ zu benötigen!

Wenn das nicht nachdenklich macht. …

Abstrakt könnte man fragen:

·       Was ist heute das Staats-Motiv, um Genossenschaften in einen staatlichen Kontroll-Prozess zu halten?

Und erweitert könnte man fragen:

·       Warum diese Staatskontrolle jetzt sogar ausgedehnt wird, statt darüber nachzudenken, sie sukzessive zu minimieren, gegebenenfalls ganz aufzugeben?

Ein Blick auf fast alle EU-Staaten (außer Österreich) zeigt, dass das geht und wie gut das funktioniert.

Irgendwie merkwürdig:

·       In Ländern mit „Staatskontrolle“ „dümpelt“ der „Genossenschafts-Bereich auf niedrigem Niveau, vor allem die Zuwachsraten sind niedrig

·       In Ländern ohne „Staatskontrolle“ boomt – sozusagen - der Genossenschaftsbereich, „Geno-starup“ ist „in“!

Nun, der „Staat“ in Deutschland wird darauf verweisen, dass es ja Genossenschafts- und Prüfungsverbände gibt, die als „Eingetragene Vereine“ sich quasi selbst organisieren.

Es scheint so, als wären heute „Prüfungsverbände“ in freier Regie der Vereins- bzw. Verbandsmitglieder. Sind sie aber nicht. Das Recht der Mitglieder eines Verbandes sich „selbst zu verwalten“ ist nicht unerheblich eingeschränkt.

Das beginnt bereits damit, dass das „Prüfungsrecht“ staatlich verliehen wird und natürlich auch „zurückgenommen“ werden kann.

Jede Genossenschaft in Deutschland muss – um in das Register eingetragen zu werden und somit als „eG“ firmieren zu können - einem „staatlich beaufsichtigten“ Verband angehören.

Gehört sie keinem Verband an, wird sie „ausgetragen“. Sie ist dann zwar noch immer eine Genosenschaft, aber hat keine Haftungsbegrenzung mehr. …

Die „Staatskontrolle“ der Verbände äußert sich vielfältig.

Landesbehörden entscheiden über die Zulassung von Prüfungsverbänden und überwachen deren Tätigkeit. Im Rahmen einer sog. Qualitätskontrolle „überwacht“ zusätzlich die Wirtschaftsprüferkammer und auch andere „Quasi-Staatliche“ Einrichtungen werden tätig, wie z.B. die Verbraucherberatung. Auch wenn sie alle irgendwie „gerechtfertigt“ erscheinen mögen, greifen sie doch letztlich nicht unerheblich in die genossenschaftliche Souveränität ein.

Ist das beabsichtigt oder eher „zufällig“?

Die Alternativen sind offenkundig und lauten:

·       Entweder man vertraut den Menschen, dass sie im Rahmen von Selbstorganisation ihre originären Themen selbstverantwortlich regeln können, so wie das Vereinsrecht es vorsieht.

·       Oder man unterstellt, dass Menschen (irgendwie) unmündig und unfähig sind, ihre Mitgliedschaften selbst mit Leben auszufüllen. In diesem Bild orientiert man eher auf „Überwachung und Kontrolle“; letztlich die Staatskontrolle …

Nun, Länder wie Deutschland und Österreich taten sich mit Selbstorganisation und Vertrauenskultur schon immer etwas schwerer. …

Der Hinweis zur EU-Harmonisierung ist interessant. Eigentlich hätte er aus Deutschland längst selbst kommen müssen.

Diese Frage wäre berechtigt:

·       Warum ist wirkliche Selbstorganisation und Selbstverwaltung nicht längst eine Forderung der deutschen und österreichischen Genossenschaft- und Prüfungsverbände?

Fürchtet man sich und wenn ja, warum und was befürchtet man?

Einer EU-Harmonisierung – damit einer Pflichtmitgliedschaft für Genossenschaften in Prüfungsverbänden, wird man in Deutschland nicht dauerhaft „entgehen“ können.

Aber man könnte den „Druck“ hin zu dieser Forderung intelligent minimieren, z.B. durch eine andere Verbände-Politik. …

Wer mit etwas mehr Intelligenz statt borniertem Verbands-Ego sich solche Entwicklungen anschaut, muss einfach erkennen, dass die Verbände sich irgendwie selbst daran zu beteiligen scheinen, den Druck in Richtung „EU-Harmonisierung“ zu forcieren.

Das zentrale Stichwort heißt:

„Mehrwert“!

 

Angenommen, Mitglieder in einem Prüfungsverband sind vollends zufrieden mit dem „Service-Angebot“ ihres Verbandes in Bezug auf die Kosten und die Leistungen.

·       Würden diese Mitglieder aus dem Verband austreten, wenn die Pflichtmitgliedschaft aufgehoben wäre?

Nein, natürlich nicht, weil anzunehmen ist, dass dieser – auf Genossenschaften spezialisierte Sachverstand (Service) - im „Preis-Leistungs-Verhältnis“ nirgendwo vorteilhafter wäre.

In einem Verband legen die Mitglieder die Gebühren selbst fest, bei privaten Organisationen (Wirtshaftsprüfer, etc.) gelten ungleich höhere Gebührensätze.

Die Frage ist angemessen, weshalb (Prüfungs-) Verbände überhaupt „Angst“ haben, wenn die Pflichtmitgliedschaft in Verbände – gemäß einer EU-Harmonisierung – beendet würde.

Das kann eigentlich nur dann der Fall sein:

·       Wenn Prüfungsverbände meinen, in einem offenen Wettbewerb nicht bestehen zu können.

Es sollte eigentlich nicht schwierig sein, das Leistungsangebot von „Spezialisten“, wie es die Verbände sind (bzw. sein sollten), bereits jetzt – zugunsten ihrer Mitglieder - zu optimieren. Das gilt besonders für den Bereich „Prüfen“.

Hier ist ganz sicher eine Diskussion notwendig, wie aus einer „Überprüfung“ von bereits vollendeten Geschäftsabläufen, eine zukunftsbezogene „Mehrwert-Prüfung“ entstehen könnte. Dazu ist sicherlich eine neue Sichtweise erforderlich, die über „Zahlen-Korrektness“ hinausgeht.

Die Frage muss gestellt werden, welche Bedeutung die Menschen in einer Genossenschaft bezüglich des Geschäftserfolgs einer Genossenschaft haben?

Aufgrund der (Verantwortungs- und Handlungs-) „Gemeinschaft der Teilhaber“ entsteht ein latentes Potential der „Überlegenheit“, das bisher noch nicht hinreichend zur Entfaltung gekommen ist.

Wir nennen das – verkürzt gesagt – die „Energie hinter den Zahlen“ zu erkennen.

Es fehlt derzeit bei den Verbänden zu erkennen, dass die traditionelle „Prüfer-Qualifikation“ um neue Beratungsfelder erweitert werden könnte. Ob das zu einer diesbezüglichen Kompetenzerweiterung des Prüfers führen sollte oder ob dies eher eigenständig personell zu ergänzen wäre, muss hier nicht abschließend beurteilt werden.

Sicher ist aber, dass der Aspekt „Prüfen“ und „Beraten“ (in Verbindung mit der förderwirtschaftlichen Grund-Erfordernis) eher gleichwertig zu sehen sind wird zu diskutieren sein. Und „Prüfungsberichte“ von Genossenschaften müssen sich erheblich von „Wirtschaftsprüfungs-Berichten“ unterscheiden. …

Wir würden den Verbänden raten, bereits jetzt ihr Leistungsangebot so zu gestalten, „als ob“ das bestehende „verbandliche Prüfungsmonopol“ bereits aufgehoben wäre. …

Derzeit haben – soweit wir es übersehen – weder wichtige Verbände - noch der Staat ein Interesse, das Thema „Prüfungspflicht“ und „Pflichmitgliedschaft“ in Prüfungsverbänden zu liberalisieren.

Die absolute Mehrheit der EU-Staaten hat keine „Pflichmitgliedschaft“ in staatlich kontrollierten Verbänden und es gibt von dort auch keine Nachrichten, dass das

problematisch wäre. Kein Land der EU ist bereit, sich auf eine Anpassung in Richtung Deutschland oder Österreich einzulassen.

Im Gegenteil, sie erkennen deutlich:

·       Pflichtmitgliedschaft scheint den Genossenschaftssektor eindeutig zu behindern!

Die Anzahl der Neugründungen und der Gesamtzahl der Genossenschaft (bezogen auf die Gesamt-Bevolkerung) spricht eine klare Sprache:

·       Deutschland und Österreich sind aufgefordert, endlich den Sonderweg zu beenden oder Nachweise vorzulegen, die diesen Sonderweg rechtfertigen!

Danke für euere Frage und viel Spaß beim Kooperieren!    

 

Bewusstseins-Wandel ist „Taktgeber“ für den „Kooperativen-Wandel“!

Genossenschaft-Online ist eine Fachgruppe des SmartCoop ForschungsInstituts (SCFI) im  Bundesverband MMW. Unsere Berater sind: DEGP Deutsch-Europäischer Genossenschafts-u. Prüfungsverband, IWMC QuantenInsitut Internationale Wissenschafts- u. MedienCooperation und  CoopGo Bund Freie Genossenschaften.

Wir behalten uns vor – ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit – Fragen geringfügig abzuändern.

Kontakt: gks@menschen-machen-wirtschaft.de  

 

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